Spotlight
Tom McCarthy, USA, 2015o
Im Jahr 2001 starten Reporter des des Boston Globe eine Recherche zu Fällen von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Als die Journalisten die Opfer zu befragen beginnen, wird ihnen die Tragweite ihrer Aufdeckungen bewusst: Seit Jahrzehnten sind in der Erzdiözese Boston zahllose Kinder von Priestern missbraucht worden - und höchste Würdenträgern waren an der Vertuschung der Taten aktiv beteiligt. Letztere und ihre Anwälte setzen alles daran, den Skandal unter dem Deckel zu halten, der die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttern würde.
Ein fast nostalgisches Bild vom Zeitungsmachen und vom analogen Ethos der Aufklärung. Und ein Sieg des Ensembles, das unter anderem aus Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Liev Schreiber und John Slattery besteht. Sie bieten ein tolles Zusammenspiel: «Spotlight» ist eine Vereinigung aus struppigen Figuren, ein Kollektiv von trockenen Denkern und angegrauten Stoikern, die ihr Metier beherrschen wie wenig andere. Schauspielerisch ein Fest des Underplaying und formal ein unaufdringlich inszenierter Medienthriller.
Pascal BlumEs war einmal, im Jahr 2001, ein whodunit aus Boston. Kein Krimi, kein Gangsterstück, wie man sie oft zu sehen bekam aus dieser Stadt, hier ermitteln hartnäckige Journalisten des Boston Globe, gespielt von Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Liev Schreiber. Neunzig Priester können sie schließlich festnageln, die sich an Kindern vergangen haben. Eine wahre Geschichte. Tom McCarthy markiert in seinem Film den Schnittpunkt, an dem aus Trauer und Verzweilfung Fakten und Skandale werden.
Fritz GöttlerSpotlight s'inscrit dans la grande tradition américaine des films d'enquête journalistique comme Les Hommes du président (1976), chef-d'œuvre d'Alan J. Pakula sur l'affaire du Watergate. Et ce film de Tom McCarthy, cinq fois nommé aux Oscars, se révèle tout aussi passionnant.
Hubert LizéTom McCarthy choisit de tout mettre en retrait, mise en scène, musique, interprétations, dans le but d’éviter toute théâtralisation qui desservirait son sujet et laisse sa reconstitution méticuleuse nous passionner de bout en bout.
Loris HantzisGalerieo
«Spotlight»-Regisseur Thomas McCarthy sagt, warum er in seinem Oscar-gekrönten Drama authentisch bleiben wollte.
«Spotlight» nahm Recherchen des «Boston Globe» zum Missbrauch in der katholischen Kirche als Vorlage. Wie viel mussten Sie dazuerfinden?
Der grösste Teil ist die ungeschönte Wahrheit. Die Berichterstattung der Zeitung zu den Missbrauchsfällen war deshalb so stark, weil sie sehr sauber gearbeitet war, da war alles schwarz und weiss. Das Faktische war auch unsere Vorgabe für die Ästhetik. Ich wollte den Film nicht stilistisch überhöhen, weil ich fürchtete, dass dadurch die Authentizität unterlaufen würde. Das war mir sehr wichtig: Ich wollte nicht mich selber zur Schau stellen, weil das Publikum dann Abstand nähme vom Drama.
Michael Keaton spielte im letztjährigen Oscar-Siegerfilm «Birdman». Hier aber ist er deutlich besser, man merkt überhaupt die Lust der Darsteller am Material.
Ja, es ist ein richtiges Ensemble mit rund 14 Figuren. Über die Schauspieler könnte ich sowieso endlos reden. Einmal gibt es diesen Moment, in dem Rachel McAdams als Reporterin ihrem Kollegen Zeitungsausschnitte hinlegt und so macht (springt auf und hält sich die Hand an die Wange). Ich dachte: Wow! Kann sie das jedes Mal machen? Ein starker Augenblick. Er geschieht, wenn ein Schauspieler nicht denkt.
Insofern handelt «Spotlight» in doppeltem Sinn von Profis – Journalisten und Filmemachern.
«Spotlight» ist eine Feier des Handwerks. Das gilt ebenso für das «Boston Globe»-Team der Investigativjournalisten, deren Arbeit all diese Einzelheiten hervorbringt, die nur entstehen, wenn Leute das tun, was sie wirklich beherrschen. Und in grosszügiger Art zusammenarbeiten. Manchmal streiten sie sich, aber sie zielen immer auf das Gleiche: eine Story gut zu erzählen. Das verbindet Filmemacher und Journalisten.
Wie wurde so ein unscheinbarer Film für sechs Oscars nominiert?
Es ist halt eine professionell erzählte Geschichte. Sie hat einen ausgeprägten Stil, aber er ist nicht grell. Die Tatsache, dass Rachel McAdams als beste Nebendarstellerin nominiert wurde, finde ich unglaublich. Aber sie spielt eben auch eine vorteilhafte Rolle für Frauen. Nichts Aufdringliches, einfach eine erwachsene, intelligente Frau. Das sollte ja eigentlich genügen, ist aber heutzutage nicht immer der Fall – in einer Zeit, in der die riskanteren Engagements eher belohnt werden, wie wir wissen.
Ohnehin scheinen heute kaum mehr Filme wie «Spotlight» gemacht zu werden. Stimmt der Eindruck?
Es ist ein Kampf, solche Filme zu finanzieren. Anders als in den 70er-Jahren, als viele unglaubliche Filme gemacht wurden und die Latte jedes Mal höher gelegt wurde. Die Regisseure forderten sich gegenseitig heraus. «Spotlight» hat 20 Millionen gekostet, das war auch kein kleiner Betrag für unser Studio. Und die Schauspieler verdienten nicht annähernd so viel wie üblich.