Molly's Game
Aaron Sorkin, USA, 2017o
Die wahre Geschichte der Ex-Skirennfahrerin Molly Bloom, die in der Zeit vor und nach der Finanzkrise in Los Angeles und New York High-End-Pokerspiele aufzog, bei denen Film- und Sportstars auf Businessgrössen und zweifelhafte Geschäftsleute trafen. Als sich Mitglieder der Russenmafia in die Spiele einschleusten, geriet Bloom ins Visier des FBI und wurde der Geldwäscherei und Steuerhinterziehung angeklagt.
Zum ersten Mal führt der bekannte Drehbuchautor Aaron Sorkin auch Regie, und wer seine Drehbücher liebt mit ihren langen, schnellen und gescheiten Sätzen, dem wird dieser Film sehr gefallen. Jessica Chastain brilliert als risikofreudige, kühle Frau, wie sie das schon bei ihrem exzellenten Auftritt in «Miss Sloane» vormachte. Der Film kontrastiert die Zeit nach Blooms Verhaftung und die schnellen Jahre zuvor, die sie in dunklen Räumen mit stillen Männern verbrachte. Oscarnomination für das beste adaptierte Drehbuch nach den Memoiren von Molly Bloom.
Jean-Martin BüttnerMolly Bloom war Ausrichterin exklusiver Underground-Pokerrunden mit Stars wie Ben Affleck und höchsten Einsätzen, bis das FBI kam. In Aaron Sorkins Regiedebüt wird sie von der superben Jessica Chastain verkörpert. Während die brillanten Dialoge sich jagen und der Champagner fließt, wird sie zur weiblichen Super-Souveränin, der Männer wurscht sind und die nur eines will: gewinnen, finanziell und moralisch.
Philipp StadelmaierLe Grand Jeu mène le spectateur par le bout du nez, séduit et convainc. On pourrait la croire pure invention si l’histoire n’était vraie.
Isabelle DanelOn est happés par la beauté magnétique de Jessica Chastain et par l'aspect fascinant du milieu du poker clandestin. Surtout, ce Grand Jeu nous bluffe par le sens du rythme et l'intelligence des dialogues d'Aaron Sorkin.
Catherine BalleCe qui compte, c'est la psychologie des personnages, pris dans un infernal engrenage. Aussi haletant qu'un thriller.
Christophe CarrièreGalerieo
Der amerikanische Drehbuchautor Aaron Sorkin über «Molly’s Game», seinen ersten Film als Regisseur. Und über das tägliche Elend des Schreibens.
Seine Dialoge sind auf so unverkennbare Weise virtuos, dass Hollywood das Adjektiv «sorkinesk» geschaffen hat, um seine Erzählweise zu beschreiben. Die Personen in Aaron Sorkins Drehbüchern reden in schnellen, kaskadisch abgestuften, gestochen scharf formulierten, rhythmisch angetriebenen, langen Sätzen. Seine Pointen sind träf, seine Protagonisten gescheit. Sorkins Hauptdarstellerin ist die Sprache. Der Kampf um Macht und Bedeutungsmacht überträgt sich in das rhetorische Hin und Her der Akteure.
Am meisten interessiert ihn, was hinter einer Bühne passiert, vor einem Auftritt, abseits der Öffentlichkeit. Die Mitarbeiter eines amerikanischen Präsidenten in der Serie «The West Wing». Die Stunden, bevor Steve Jobs vor sein Publikum tritt. Der Tag, bevor «Newsnight» auf Sendung geht, die fiktive Nachrichtensendung. Die Wochen zwischen den Ausstrahlungen von «Studio 60 on the Sunset Strip», der fiktiven Satiresendung.
Das rhetorische Tempo bestimmt auch «Molly’s Game», den ersten Film, in dem Aaron Sorkin Regie führt. Er hat die Autobiografie von Molly Bloom verdrehbucht und verfilmt, einer ehemaligen Spitzensportlerin, die illegale Pokerspiele für sehr reiche Spieler organisierte, dabei selber eine Menge Geld verdiente und dann in Schwierigkeiten geriet. Wie so oft bei Aaron Sorkin, der als Theaterautor begonnen hat, spielen die meisten Szenen in wenigen Räumen. Wie fast immer bei ihm reisst der Rhythmus der Dialoge einen mit.
In «Miss Sloane» spielte Jessica Chastain eine kühle Lobbyistin. Spätestens da müssen Sie gewusst haben, wie gut sie in Ihren Film passen würde.
Absolut. Ich liebte ihr Spiel in «Miss Sloane», wusste aber schon vorher, wie gut sie ist. Ich habe jeden Film von ihr mehrmals gesehen. Und selbst wenn ich einen Rest von Zweifel gehabt hätte, er wäre am ersten Drehtag verflogen.
Als Drehbuchautor sind Sie bekannt für Ihre scharfen, schnellen Dialoge. In diesem Film, bei dem Sie zum ersten Mal auch Regie führten, kommt es einem vor, als bestimmten die Wortwechsel den Schnitt des Films.
Danke. Das verdanke ich Alan Baumgarten, dem hochbegabten Cutter. Und seinem Kollegen Josh Schaeffer. Sie waren beide so gut darin, zu merken, wovon Sie jetzt sprechen. Sie achteten stets darauf, dass der Film die Dialoge nicht verlangsamte oder umgekehrt.
Der Film verlangsamt sich immer dann, wenn Molly mit ihrem Anwalt redet. Da Sie auch Regie führten, war das offensichtlich Ihre Absicht. Was aber ist der Grund?
Was mir von Anfang an klar war, und ich habe das allen auf dem Set gesagt: Dieser Film läuft in zwei verschiedenen Zeitzonen ab. In der Gegenwart, wo Molly vom FBI verhaftet wird, wo sie sich einen Anwalt suchen und ihre Situation klären muss. Und in der Vergangenheit, wo Molly sich beim Skifahren so verletzt, dass sie ihre Sportkarriere aufgeben muss. Worauf sie nach Los Angeles zieht, in einer illegalen Pokerbar Drinks serviert, den Laden übernimmt und zur erfolgreichsten Organisatorin von heimlichen Pokerspielen avanciert. Ich wollte diese Szenen mit schnellen Schnitten drehen, auch wenn man nur Chips sieht, die über den Tisch geschoben werden, Gläser, die gefüllt werden, und Geld, das gezählt wird. Die Szenen in der Gegenwart sind konventioneller gedreht, man kann ein wenig verschnaufen, es mutet an wie das richtige Leben. Dann geht es wieder zurück in die Vergangenheit – und in das hohe Tempo.
«Denn wenn ich schreibe, habe ich Blockaden. Und zwar nicht alle paar Jahre, sondern jedes Mal.»
Was war das für eine Erfahrung für Sie, erstmals Regie zu führen?
Ich war nervös, das ist klar. Aber ich genoss den Prozess viel mehr, als ich es erwartet hatte. Und das liegt einzig an den Leuten, die mich umgaben. Angefangen bei Jessica Chastain.
Sie waren lange drogenabhängig, einigen Ihrer Figuren ergeht es ähnlich. Haben die eigenen Erfahrungen Ihnen geholfen?
Ich konnte das Verhalten dieser Figuren nachvollziehen, weil ich weiss, wie eine Sucht funktioniert. Das Dopamin oder Serotonin flutet das Lustzentrum deines Gehirns – aber nicht, nachdem du die Droge genommen hast, sondern schon wenn du dein Glas füllst, wenn dein Dealer unten läutet. Ein Spieler verspürt dieses Glücksgefühl immer dann, wenn das Rouletterad sich dreht oder er eine verdeckte Karte zieht.
Sie waren schon als Drehbuchautor auf dem jeweiligen Filmset sehr aktiv. Wie war es diesmal, da Sie selber Regie führten?
Ich dachte lange, nicht über das visuelle Feingefühl zu verfügen, das man als Regisseur haben muss. Ausserdem wollte ich zu meinen Skripts immer einen bestimmten Regisseur: Mike Nichols, David Fincher, Danny Boyle und andere. Und ich brauchte sie nicht nur als Regisseure, ich brauchte sie als Kritiker meiner Drehbücher. Dass mir einer sagen konnte: In dieser Szene hast du dich in deine eigene Stimme verliebt, du kannst dasselbe auf zwei Seiten sagen statt auf zehn. Diese Art von Kritik fehlte mir bei «Molly’s Game», und ich fürchtete, Opfer meiner schlimmsten Angewohnheiten zu werden. Ich glaube, dass ich die meisten habe vermeiden können.
Und was gefiel Ihnen?
Dass ich als Regisseur nicht schreiben musste. Denn wenn ich schreibe, habe ich Blockaden. Und zwar nicht alle paar Jahre wie bei einer Grippe, sondern jedes Mal. Manchmal gelingt es mir, etwas zu schreiben, aber die nächste Krise kommt unweigerlich. Als Autor verbringst du viele Tage damit, nichts zu schreiben. Als Regisseur, so anspruchsvoll das ist, hast du am Ende des Tages deine Arbeit gemacht. Das ist ein sehr befriedigendes Gefühl. Und wenn du einen freien Tag hast, kannst du den auch geniessen.