Green Book
Peter Farrelly, USA, 2018o
Im New York der frühen sechziger Jahre hält sich Tony Lip als Türsteher über Wasser. Der hemdsärmlige Italo-Amerikaner bekommt den Auftrag, einen gewissen Dr. Don Shirley in die Südstaaten zu fahren. Was Tony nicht weiss: Shirley ist einer der weltbesten Jazz-Pianisten, Afroamerikaner und kultiviert bis zum Snobismus. Zusammen begibt sich das ungleiche Paar auf eine Konzerttour in den konservativen Süden, wo die Rassentrennung immer noch gängige Praxis ist. Ihr ständiger Begleiter ist ein Green Book, das anzeigt, wo "coloured people" geduldet werden.
Ja, dies ist, in progressiven Kreisen fast schon verpönt, ein "Feel Good Movie", ein gut gemachter Unterhaltungsfilm also, der einen nicht in den moralischen Grundfesten erschüttert und mit dem guten Gefühl entlässt, dass der Mensch grundsätzlich lernfähig ist und die Zivilisation im grossen Ganzen Fortschritte macht. Gerade deshalb rennt er mit seiner antirassistischen Geschichte aus dem Amerika der Apartheidzeit beim heutigen und hiesigen Publikum, Gott sei Dank, grösstenteils wohl offene Türen ein. Doch sein dramaturgischer Kniff, die vorherrschenden Verhältnisse der amerikanischen Nachkriegszeit schlicht umzukehren, ist so witzig wie wirkungsvoll: Der Weisse ist hier der ungebildete Underdog, der Schwarze der Inbegriff hochnäsiger Kultiviertheit. Und weil beide nicht als eindimensionale Karikaturen, sondern als Menschen voller ungeahnter Facetten und Widersprüche gezeichnet werden, lernt der rassistische weisse Prolet vom blasierten schwarzen Snob soviel wie dieser von seinem bodenständigen Chauffeur und Bodyguard. Der dreifach oscarprämierte Film basiert übrigens auf einer realen Geschichte, aus der eine lebenslange Freundschaft hervorgegangen sein soll.
Andreas FurlerTony Lip braucht einen Job, für ein paar Monate, also verdingt er sich bei Dr. Shirley, als Chauffeur. Der Doktor ist ein Jazzpianist, der zwei Monate auf Tournee geht durch die Südstaaten der USA. Ein Afroamerikaner! In den Süden!! Es ist das Jahr 1962!!! Viggo Mortensen ist der Italoamerikaner Tony Lip, ungewohnt füllig und von rassistischen Reaktionen nicht frei, Mahershala Ali ist Dr. Shirley, von einer fast besessenen Kultiviertheit. Die Geschichte klingt unwahrscheinlich, aber Peter Farrelly hat sie, ohne seinen Bruder Bobby, auf ganz natürliche Weise erzählt. Unentbehrlich: das grüne Buch.
Fritz GöttlerDrehbuchautor Nick Vallelonga verarbeitete hier die Erinnerungen seines Vaters. Herausgekommen ist ein nicht wahnsinnig originelles, aber gut gemachtes Feelgood-Movie. Ali und Mortensen sind tolle Schauspieler, und Regisseur Peter Farrelly, der mit seinem Bruder Bobby Krawallkomödien wie «Dumb and Dumber» inszeniert hat, beweist, dass er auch sanfte Töne beherrscht.
Gregor SchenkerCe récit d’amitié si simple et si touchant, cette Americana rêvée des marges et des communautés amies, ce bruissement de douceur et de mélancolie l’inscrivent dans la pleine continuité d’une œuvre que l’on pensait endormie depuis trop longtemps.
Vincent Malausa