La plus précieuse des marchandises
Michel Hazanavicius, Belgien, Frankreich, 2024o
Es waren einmal ein armer Holzfäller und seine Frau in einem grossen Wald. Die Kälte, der Hunger und der Krieg machten ihnen das Leben schwer. Eines Tages nahm die Holzfällerin ein Baby auf, das aus einem der Züge geworfen wurde, die ständig durch ihren Wald fuhren. Dieses Baby verändert das Leben aller, die mit ihm zu tun hatten, bis hin zu dem Mann, der es aus dem Zug geworfen hat. Ihre Geschichte offenbart das Schlimmste und das Beste im Herzen der Menschen.
Wie kann man immer wieder vom Holocaust erzählen und schon Kinder damit vertraut machen? Michel Hazanavicius (The Artist) versucht dies, indem er die 2019 erschienene Erzählung von Jean-Claude Grumberg als Zeichentrickfilm auf die Leinwand bringt – die Figuren hat er selbst skizziert. Darin geht es um ein kinderloses polnisches Holzfällerpaar, das isoliert in einem Wald lebt, durch den eine Eisenbahnlinie verläuft. Eines Tages entdeckt die Frau beim Holzsammeln ein eingewickeltes Baby, das aus einem Güterzug geworfen wurde. Es handelte sich um einen Zug mit Deportierten, die in ein Konzentrationslager gebracht wurden. Die Aufnahme des jüdischen Mädchens, das es zu ernähren gilt, wird nicht ohne Probleme verlaufen. Doch der Ehemann, der angesichts des in der Region herrschenden Antisemitismus zunächst ablehnend reagiert, wird weich und beschützt das Kind sogar vor Milizionären. Wird es wenigstens seinen Vater finden, der ebenfalls überlebt hat? Man fragt sich, an wen sich diese Erzählung richtet, die in Bezug auf die grosse Geschichte bewusst vage bleibt, aber trotzdem düster ist. Wenn sie auf die Seite des Vaters wechselt, der sein Kind ins Ungewisse geworfen hat, und dabei auch die Konzentrationslager und Gaskammern angesprochen werden, geht sie für das Familienpublikum wahrscheinlich zu weit. Vater und Tochter werden sich zwar wieder begegnen, aber nicht unbedingt mit dem erhofften Happy End, während die Stimme des Erzählers (Jean-Louis Trintignant in seiner letzten Rolle) Zweifel an der Fortführung der so notwendigen Erinnerungspflicht aufkommen lässt. Der Film ist auf alle Fälle ein schöner Versuch, der von zeichnerischer Poesie und tiefer Melancholie durchdrungen ist. Empfehlenswert ist er eher für ein erfahrenes Publikum.
Norbert Creutz