The Room Next Door
Pedro Almodóvar, USA, Spanien, 2024o
In ihrer Jugend waren Ingrid und Martha als Mitarbeiterinnen derselben Zeitschrift eng miteinander befreundet. Doch dann sorgte das Leben dafür, dass sie sich aus den Augen verloren. Inzwischen arbeitet Ingrid als Romanautorin, Martha als Kriegsreporterin. Nachdem sie jahrelang keinen Kontakt mehr hatten, treffen die beiden Frauen in einer schwierigen, aber auch aussergewöhnlichen Situation wieder aufeinander.
Im Lauf seiner fünfzigjährigen Karriere hat sich Pedro Almodóvar (75) vom schrillen Enfant terrible der Madrilener Post-Franco-Szene zum distinguierten älteren Herrn von Welt entwickelt. Kein Dekor, kein Kostüm und kein Requisit in seinen Filmen, die nicht exquisiten Geschmack verströmen, keine Ausleuchtung, Cadrage und Orchestrierung, die nicht beitragen zum ästhetischen Kokon, in dem Almodóvars Personal mit melancholisch-ironischer Gefasstheit widriger werdenden Lebensumständen trotzt. In Almodóvars erstem abendfüllenden Film auf Englisch leidet Tilda Swinton als die ehemalige Kriegsreporterin Martha in einer New Yorker Edelwohnung unheilbar an Krebs und erwählt sich ihre einstige Arbeitskollegin und Freundin Ingrid (Julianne Moore), ihrerseits erfolgreiche Schriftstellerin, zur Sterbebegleitern. Martha hat sich eine Suizid-Pille im Darknet besorgt, Ingrid soll während Marthas letzten Tagen in einer hierzu gemieteten Luxusvilla das benachbarte Zimmer belegen, bis Marthas Tür als Zeichen der vollzogenen Euthanasie irgendwann geschlossen bleibt. Das Vorhaben löst Gespräche über den Lauf von Marthas Leben aus, von dem wir eine Episode aus dem Irakkrieg und eine über den Vater ihrer entfremdeten Tochter zu sehen bekommen, der als Vietnamveteran Opfer seiner Traumata wurde. Beide Nebenhandlungen bleiben für die Haupthandlung tatsächlich nebensächlich, ebenso John Turturro als offenbar kompetenter Ex-Liebhaber beider Frauen und professoraler Katastrophen-Warner, der einen pessimistischen Kurzvortrag über die Unbelehrbarkeit des Menschen hält und in einer weiteren beiläufigen Episode die juristischen Konsequenzen des Suizids regelt. Die Vordergründigkeit, mit welcher Almodóvar das alles abhandelt und die Figuren zu seinem Sprachrohr macht, irritiert, doch dahinter tun sich die eigentlichen Fragen auf: Handelt der Film von einer vorgeschützten Meisterung des Unbeherrschbaren, die selbst das Sterben zur Unpässlichkeit mildert? Und ist sich der lebenslang assistierte Maestro der Zumutung bewusst, die Marthas kapriziöse Idee vom assistierten Surprise-Suizid für ihre Freundin darstellt? Man ist sich da nicht ganz sicher.
Andreas Furler