Rietland
Sven Bresser, Niederlande, Belgien, 2025o
Als der zurückgezogene Schilfschneider Johan auf seinem Land den leblosen Körper eines jungen Mädchens findet, ergreift ihn ein unheilvolles Gefühl. Während er sich um seine Enkelin kümmert, begibt er sich auf die Suche nach der Wahrheit, entschlossen, dieses Drama aufzuklären. Doch das Böse verbirgt sich bisweilen hinter den unscheinbarsten Fassaden.
Ein Sumpfkrimi? Das wäre als Label zu einfach. Rietland ist grosse Kinokunst, gleichzeitig düsterer und heller, vor allem aber komplexer als sein Genrefilmgerüst. Der rund 60jährige Johan, Schilfschneider in einer weiten Riedlandschaft, findet die nackte Leiche einer jungen Frau aus dem Dorf – und danach keine Ruhe mehr.
Die stillen Stars des Films sind der echte Schilfschneider Gerrit Knobbe und die Riedlandschaft des nordholländischen Nationalparks Weerribben-Wieden. Bresser konzentriert den Blick auf Johan und seine einsame, harte Arbeit im Schilf, deren ordentlich gehäufte Überreste er jeweils in ein gespenstisches Inferno aus Wasser, Feuer, Wind und Rauch verwandelt, bevor er im Motorboot zum Abendessen nach Hause fährt. Johans Frau ist gestorben, er kümmert sich unter der Woche um seine Enkelin im Primarschulalter.
Zunächst zeichnet sich eine harsche, naturnahe Idylle ab, doch die Landschaft hat eine eigenständige, gleichgültige Präsenz: älter und mächtiger als die Menschen. Die Dorfbewohner schieben die Vergewaltigung und Ermordung der jungen Frau den unsichtbaren «Trooters» vom anderen Ufer zu – so wie sie auch die EU und die chinesische Konkurrenz pauschal für den Niedergang des traditionellen Schilfgewerbes verantwortlich machen. Johans Zweifel, seine Angst um Enkelin und Nachbarsmädchen wachsen. Indizien legen nahe, dass der Täter aus der eigenen Nachbarschaft stammt, während die alten Geschichten vom Sumpfmonster zurückkehren und sich mit der Wahrnehmung der Landschaft verbinden. Diese verliert die ihr zugeschriebene Unschuld und erscheint als unbezähmbare, geheimnisvolle Macht, zugleich wird Johan sich selbst, uns Zuschauenden und mindestens einem Nachbarn suspekt.
Rietland ist ein unsentimentaler Film voller Gefühl, Unheimlichkeit, Faszination und kontrastierender Wärme. Ein filmisches Kunststück, das seine Meisterschaft selbstbewusst trägt, wie der alte Johan seine Würde, seine Erfahrung und unverklärte Menschlichkeit.
Michael SennhauserGalerieo
